Original: Frigyes Karinthy, A Külvilág
Auszüge aus den Notizen meines kleinen Sohnes
Ich hab beschlossen – da ich bereits eineinhalb Jahre alt bin – die Ergebnisse meiner meditativen Überlegungen und meine spekulative Weltanschauung im Rahmen einer Prinzipienstudie in ein System zu fassen, deren Titel „ Die Betrachtung der Welt von Innen und Außen im Spiegel des vernünftigen Geistes“ wäre. In diesem Werk beabsichtige ich kein neues metaphysisches System zu schaffen, eher möchte ich die Zusammenfassung meiner bisherigen Betrachtungen mit Hilfe einer individuell erfahrenen Methode widerzugeben: etwa so, wie Alexander Humboldt in seinem „Kosmos“. Einige zu diesem umfangreichen Werk benötigten Notizen und exakten Definitionen sind nachfolgend:
1. Papa, Mama
Nach Erkenntnis der Darwin-schen Evolutionstheorie, dem Mensch ähnliche Haustiere; es ist anzunehmen, dass sie eine verkümmerte, aus früheren Zeiten verbliebene degenerative Art des Menschen sind, welche im Zuge des Überlebenskampfes zum Nutzen des Menschen entwickelt wurden; die Anatomie ihrer Organe entsprechen dieser Theorie. Äußerlich unterscheiden sie sich unwesentlich. Sie werden 2-3 Mal größer als der Mensch, somit sind sie in der Lage, den beim Spazierengehen müde gewordenen Menschen aufzuheben und über genügend Muskelkraft verfügend, in der Luft zu halten. Zum Reiten sind sie weniger geeignet. Wir halten sie in erster Linie um unsere Ernährung zu sichern; dafür sorgen sie indirekt, da sie selbst ungenießbar sind.
2. Onkel, Tante
Vergleichbar mit den vorher beschriebenen, frei lebenden Tieren, in einer Beziehung zu denen, wie etwa die Wildbiene zu der Hausbiene. Sie sammeln weder Mittag- noch Abendessen für uns, ihr ganzes Produkt beschränkt sich auf paar Zuckerl, die wir von ihnen – da sie leicht zu zähmen sind – leicht entlocken können, durch „kutz-kutz“ und andere, ähnliche Töne aus uns gebend, mit der Zunge zu schnalzen oder ihre Nase zu betatzen.
3. Baba
In globaler Betrachtung ist unter diesem Begriff die wilde Natur zu verstehen, die nicht von Menschenhand geschaffen wurde. Dazu gehört der Gang oder Vang, ein langes, kurviges Zimmer, das zu einer Stiege führt, wo sich ein Tier namens „Lift“ befindet, wenn man sich draufsetzt, rennt es erschrocken und mit großer Geschwindigkeit hinunter auf die Straße. Auf der Straße wachsen kleinere-größere Häuser ungeordnet, ganz durcheinander, nur selten sieht man Spuren der Kultur: Ab und zu einen Baum, eine Blume, Gras und ähnliche Errichtungen.
4. Badewasser
Eine flüssige, kalte Substanz, man nimmt sie nicht in den Mund sondern setzt sich hinein. Man kann sie nicht schlucken, eignet sich aber zum Spritzen.
5. Haue haue
Darunter ist eine bestimmte Nervenkrankheit der Papa- und Mamatiere zu verstehen, ein Schockzustand, der von bestimmten, natürlichen menschlichen Handbewegungen hervorgerufen wird, wie etwa das zu "Boden-Schmeißen“ eines aus Glas gefertigten Gegenstandes, mit dem Zweck, dass dadurch daraus zwar kleinere, dafür mehrere Stücke entstehen; das ins "Mund-Nehmen" von kleineren Tieren wie etwa Spinnen, auch von Gabeln und Messern zum Zwecke des Hinunterschluckens, die Entledigung des natürlichen Bedürfnisses in den Suppenteller, usw.. Der Name des obigen Begriffes kommt von einem Schrei, der dann getätigt wird, wenn sie ihre Hände heben, als ob sie sie auf unseren Hinterteil fallen lassen würden; das können wir allerdings, wenn wir sie mit einem kräftigen Schrei erschrecken, vermeiden.
6. Das Kätzchen
Zwar habe ich in vorliegenden Notizen nicht beabsichtigt metaphysikalische Probleme anzuschneiden, ich muss allerdings den Begriff von „Kätzchen“ erwähnen, quasi als theoretischen, ausschließlich mittels transzendenter Glaubensauffassung begreifbaren und nur in ihrer Endauswirkung wahrnehmbaren Abstrakt, dessen Existenz vorauszusetzen ist, um solche Erscheinungen erklären zu können, wie etwa, wenn wir einen Gegenstand wie z.B. einen Ring, Ohrringe oder eine Stecknadel von Papa-Mama wegnehmen wollen, worauf es plötzlich verschwindet und die Mama erschrocken und staunend in der Luft herumgestikuliert „das Kätzchen hat´s genommen!“
Der Körper des K. ist unsichtbar, dürfte aber zu den fliegenden geistigen Wesen gehören und ist verwandt mit dem humanenSinn und dem nicht erklärbaren Endziel des menschlichen Denkens, dem göttlichen Individuum, dem...
7. Hausmeister,
der die Welt erschuf, der unsichtbar und immateriell ist, der jedoch überall anwesend ist, von ihm wird alles gelenkt; das einzige Wesen, von dem der stolze und mit unbegrenzter Macht verfügender Mensch sich fürchten muss, und wegen dem man sowohl jede ausgelassene Fröhlichkeit oder etwa einen Wutausbruch beenden muss; der vor der Tür steht, wenn wir schreien, und jede Minute bereit ist, einzutreten; der sofort erscheint, wenn wir nicht schlafen wollen, der einmal den Menschen holen wird, jetzt und in der Ewigkeit, Amen.
(Anm. des Autors: Den Kindern wurde immer gedroht, wenn sie ungehorsam sind, dass sie der Hausmeister holt!)
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