Original: Frigyes Karinthy: Poligámia
Ehemann: Hm. Sehr interessant. Kurios.
Ehefrau (ruhig): Was ist so interessant?
Ehemann: Das da. Diese Sache. Diese Idee.
Ehefrau: Was für eine Idee?
Ehemann: Was der Novak heute im Büro gesagt hat.
Ehefrau: Was hat er gesagt?
Ehemann: Das mit dieser Sache… hm. Weißt, ich erwähne das nur… eine Idee, sonst nichts. Eine groteske Idee, wirklich, glaub´ mir, ich betrachte das nur als solche. Dass ich das für interessant finde, das darf ich ja, oder nicht?
Ehefrau (ruhig): Natürlich.
Ehemann (aufgeregt): Und bitte, die Idee ist ja nicht neu… zahlreiche Präzedenzen gibt es dafür in der Geschichte. Er sagt, dass es auch nach dem dreißigjährigen Krieg eingeführt wurde.
Ehefrau (ruhig): Was?
Ehemann: Es ist ja so, dass damals, als der langjährige, blutige Krieg die männliche Bevölkerung stark dezimiert hat und man für die Zukunft sorgen musste. So wurde es eingeführt. Novak sagt jetzt schon, was wäre, wenn es auch jetzt nach dem Krieg (der 1. Weltkrieg, Anm. der Red.) eingeführt werden würde.
Ehefrau (ruhig): Was?
Ehemann: Weißt, ich halte es nur für eine bizarre Idee, glaube mir, dass man es einführt.
Ehefrau: Was?
Ehemann (nach einer Pause, hastig): Die Polygamie. (er verdreht seinen Kopf und versteckt sein Gesicht hinter seinen Händen).
Ehefrau (ruhig): Ah, die Polygamie.
Ehemann (wartet, dann nimmt seine Hände verwundert von seinem Gesicht, schaut, ob nicht irgendwas gegen seinen Kopf fliegt; überrascht): Ja!
Ehefrau: dass sie diese Poli… Warum sollen sie es nicht einführen?
Ehemann (verwundert und begeistert): Wirklich? Na siehst du! Du bist also auch dieser Meinung! Na, das ist wunderbar! Nie hätte ich erwartet, dass du so edel, so unvoreingenommen denkst… dass du die Sachen so objektiv betrachtest… wie eine Intellektuelle… wie ein Mann…
Ehefrau: Du hast mich immer für dümmer gehalten als ich bin.
Ehemann (begeistert): Aber ab jetzt betrachte ich dich mir vollkommen ebenbürtig, als edel und selbstlos denkender, einsichtiger, gleichwertiger Geist, mit dem ich über alles reden kann, du wirst mein geistiger Partner… ja, ich bin sehr glücklich über diese Entdeckung… jetzt kann sagen, als ein Freund zum anderen, einem wahren Menschen, einem geistreichem Individuum… jetzt kann ich dir endlich sagen, dass auch meiner Meinung nach sehr richtig wäre, wenn sie es einführen würden.
Ehefrau (ruhig): Was?
Ehemann: Na die Polygamie.
Ehefrau: Ah ja, die Polygamie.
Ehemann (enthusiastisch): Jene widersprüchliche Einwendungen, womit der verblendete Konservatismus argumentierte, wurden von der Wissenschaft längst widerlegt… Es existieren ja Völker, bei denen gerade das Gegenteil der Polygamie als unmoralisch angesehen wird. Und gerade die ältesten Mythen betrachten die Praktizierung der Polygamie als natürlich… Es scheint, sie wurzelt in der menschlichen Natur, und so wäre es die Wiederherstellung der natürlichen, gesunden Ordnung, wenn sie es einführen würden.
Ehefrau: Ja, sicher.
Ehemann (begeistert, glücklich): Na siehst du, mein Schatz? Wie lieb, weise und verständnisvoll du bist! Dann muss man auch die wirtschaftliche Seite betrachten, nicht wahr… In der ersten Minute würde man glauben, dass die Polygamie für den Mann eine unerträgliche wirtschaftliche Last bedeuten würde. Wenn wir die Sache allerdings näher betrachten, stellt sich heraus, dass das wirtschaftliche Gleichgewicht nicht nur bestehen bleibt, sondern es verbessert sich sogar in der Polygamie. Das ist ganz gewiss.
Die Ehefrau: Wenn es sicher ist, dann ist gut.
Ehemann (wie einstudiert): Jawohl; es verbessert sich… da ich einerseits für mehrere Frauen sorgen muss, andererseits die Frauen, die ja mir gehören…
Ehefrau (legt die Gabel hin): Wie… wie ist es bitte? Nochmal! Von welchen Frauen redest du?
Ehemann (mit weit geöffneten Augen): Also…
Ehefrau (hebt die Gabel hoch, diesmal mit der Spitze nach oben): Für was für Frauen musst du sorgen?...
Ehemann (erstarrt): Na ja, bitte, haben wir nicht gerade von der Polygamie geredet?
Ehefrau: Ist mir egal diese Poli… oder wie das heißt. Du hast von Frauen geredet, nicht von dieser Pali… von dieser Palimagie… (plötzlich Verdacht schöpfend). Sag einmal, was ist das eigentlich diese Polymanie, oder was? (hebt ihre Gabel).
Ehemann (mit gesenktem Kopf, mit geschlossenen Augen): Also… du meinst die Polygamie… nichts, nichts Interessantes, darunter meint man die Zentralisierung der Zollsteuer… die staatliche Organisation des Beamtengehältersystems…das linke Blütenblatt der Wiesen-Primel… poly heißt Blüte, Gamie heißt Blatt… (er isst demütig weiter)
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