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Getrud, die Gouvernante

Autorenbild: Josef FarkasJosef Farkas

Aktualisiert: 11. Aug. 2022

oder: Die Belohnung des Glücks


Original: Stephen Leacock. Übersetzt von Frigyes Karinthy ins Ungarische: Getrúd, a nevelönö vagy a boldogság jutalma.


Die Zusammenfassung der vorherigen Kapitel:

ES GIBT KEINE VORHERIGEN KAPITEL


Eine wilde, stürmische Nacht wütete über der Westküste Schottlands. Aus Sicht unserer Geschichte hat das zwar keine besondere Bedeutung, da unsere Geschichte nicht an der Westküste Schottlands spielt, sondern an der Ostküste Irlands. Aber auch dort war das Wetter ziemlich schlecht.


Der Schauplatz unserer Geschichte ist genauer gesagt die Südspitze Englands, Knotacentium Towers (ausgesprochen Kns Ps), die alte Burg von Lord Knotacent (ausgesprochen Pjs).

Für die Schwächeren weisen wir darauf hin, dass es ohnehin nicht wichtig ist, die Wörter beim Lesen auszusprechen.


Ejcs Pjs war ein tief verwurzelter englischer Adelssitz. Das Erdgeschoss wurde im elisabethanischen Stil aus rotem Stein erbaut, während der ältere Flügel des Schlosses, auf den der Graf besonders stolz war, Spuren der alten normannischen Zeit aufwies, zu dem eine prächtige Tudor-Folterkammer und ein Waisenhaus aus der Plantagenet-Zeit, mit Gehegen und Zäunen gehörte. Überall sieht man den üppigen Reichtum tausendjähriger Eichen und Kiefern und Pilze, in der Nähe des Hauses Johannisbeersträucher und prachtvolle Haselnussbäume, die noch von den Kreuzfahrern gepflanzt wurden.


Die Luft rund um das alte Schloss war laut vom Pfeifen der Drossel, dem süßen Gesang der Krähen und dem traurigen Ruf der Fasane, während die Hirschkühe, die Antilopen, die Kängurus und andere Vierbeiner so zahm über die weiten Felder rannten, dass sie einander aus der Hand aßen. Es war eine ganze Menagerie.

Durch den Park führte ein breiter, riesiger Makadam-Weg, dessen Tragschicht noch Heinrich VII aufgetragen hat.


Der Lord steht an den Kamin der Bibliothekshalle gelehnt. Obwohl er ein erfahrener Diplomat und Staatsmann war, konnte er die düstere Starrheit seiner aristokratischen Gesichtszüge kaum zügeln, damit sie nicht vom Zorn verzehrt würden.

- Junge! - sagte er - du wirst dieses Mädchen nehmen oder ich werde dich verleugnen! Du bist nicht mehr mein Sohn!

Der junge Lord Ronald stand direkt vor ihm, in vertikaler Richtung, während aus seinen Augen Trotz, gemischt mit Verachtung, auf seinen hochmütigen Vater blitzten, im rechten Winkel.

„Ich trotze dir“, hauchte er. - Du bist nicht mehr mein Vater! Ich werde mir einen anderen Vater suchen. Ich werde niemals ein Mädchen heiraten, das mein Herz nicht liebt. Dieses Mädchen, das keiner von uns je gesehen hat...

- Verrückt! - zischte der Earl - willst du das alte Eigentum unseres tausendjährigen Stammbaums zerstören?!... Das Mädchen, von dem ich sprach, ist schön und jung - der Schwager ihrer Tante mütterlicherseits stimmte der Heirat zu,- und sie sind Franzosen, das ist die Hauptsache!

- Aber was sind deine Gründe...?

„Es gibt keine Begründung“, antwortete der Earl. - Ronald, ich gebe dir einen Monat. Bis dahin kannst du hier in der Heimat deiner Ahnen bleiben. Wenn du bis zum Ersten nicht zustimmst, werde ich dich ohne Entlohnung feuern.

Der junge Lord antwortete nicht. Er rannte aus dem Zimmer, sprang auf sein Lieblingspferd und galoppierte wild aus dem Park, in alle Richtungen der Windrose gleichzeitig.

Als die Bibliothekstür hinter Ronald zuschlug, ließ sich der Earl in seinen Sessel fallen. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er war nicht länger dieser hochmütige Lord, sondern nahm stattdessen den charakteristischen Ausdruck eines gejagten Wilden an. »Du musst das Mädchen nehmen …«, schrie er vor sich auf den Teppich, »die werden bald alles wissen. Tukshemoff floh aus Sibirien. Er weiß alles und wird nicht zögern, auszusagen. Die Minen werden in seinen Besitz übergehen, zusammen mit diesem Gut und ich.. - aber lassen wir es!'

Er stand auf, ging zur alten Kredenz, goss sich ein kleines Glas Bitterwasser ein und war wieder der edle englische Gentleman wie zuvor.


In den selben Stunden raste ein mit Gewölbe ausgestattetes Hundegespann kreuz und quer durch die Parkallee, auf dem Kutschenbock ein Pferdeknecht in charakteristischer Psj Ns – Uniform.

Hinter dem Knecht nahm ein junges Mädchen Platz. Fast noch ein Kind, sie war nicht einmal so groß wie der großgewachsener Knecht.

Ein einfacher, mit Topfenstrudel verzierter Hut, der Schatten einiger bescheidener Straußenfedern verbargen ein zartes kleines Gesicht, dessen Gesichtsähnlichkeit an dieser Stelle unseres Romans geradezu verblüffend war.

Müssen wir sagen, wer sie war? Gertrud, die Gouvernante, die an diesem Tag ihren Posten im alten Schloss antreten musste.


Gleichzeitig, als das Hundegespann in die Baumallee einbog, hätte der Leser einen großen, schlanken jungen Mann auf der anderen Seite der Allee gesehen, wenn er zufällig, geschäftlich oder privat dort gewesen wäre. Leider ist es schwer vorstellbar, dass der Leser genau in diesem Moment dabei war, so dass er nach dieser Beschreibung glauben muss, dass die aristokratischen Züge des schlanken jungen Mannes seine hohe Herkunft leicht verrieten. Er ritt einen edlen Hengst, dessen Züge ebenfalls edel waren, besonders seine lange, hängende Nase.


Aber wer war dieser schlanke junge Mann, der Gertrud mit jedem Schritt seines Pferdes näher kam? ... Wer war er, wer war er wirklich? ..., Wer könnte das sein?!. .. Wer? ... Der Leser wird es nie erraten, wenn er sich nicht ein wenig den Kopf zerbricht. Es war niemand anderer als der junge Ronald.


Sie waren dazu bestimmt, sich zu treffen. Sie kamen einander näher und näher. Dann noch näher. Und schließlich trafen sie sich für einen flüchtigen Moment. Als sie aneinander vorbeiruderten, hob Gertrud den Blick, und der junge Mann erblickte zwei Augen, deren Ausdruck so augenartig war, dass sie zum Beispiel nicht eckig, sondern ganz rund waren. Ronald konnte nur einen flüchtigen Blick auf die Hundegespann-Reisende erhaschen, aber der war so intim, dass wenn jemand noch intimer schaut, der schummelt ganz bestimmt.

War die Begegnung dieser beiden Blicke der Beginn einer Liebe? Wer weiß es? Höchstens der Autor. Aber er kann es noch nicht verraten. Bitte warten Sie, übrigens bitte ich den Leser, mich nicht mit Ihren ständigen Zwischenrufen zu belästigen, so kann man nicht arbeiten.


* * *

Aber reden wir über Gertrud. Gertrud, die mit vollem Namen Mac Figgin Montmorency hieß, kannte weder ihren Vater noch ihre Mutter. Beide starben Jahre vor ihrer Geburt. Von ihrer Mutter wusste sie nur, dass sie Französin war, strahlend schön, und dass ihre Verwandten, Vorfahren und Geschäftspartner in der großen Französischen Revolution umgekommen waren.

Gertrud bewahrte jedoch die Erinnerung an ihre Eltern mit zärtlicher Anmut. Sie versteckte ein Miniatur-Ölgemälde ihrer Mutter in einer goldenen Schatulle auf ihrer Brust; die gut gelungene Daguerreotypie ihres Vaters hing an einer silbernen Kette von ihrem Rücken hinunter. Sie trug die Büste ihrer Großmutter in ihrem Mantelärmel, die Konterfeis einiger ihrer Cousins ​​und Brüder waren teils in ihren Stiefeln, teils in ihren Gürtel gesteckt, an der Taille, während auf dem Rücken ... aber vielleicht reicht das.

Wahrscheinlich wusste sie noch weniger über ihren Vater. Nur dass er aus einem hochrangigen englischen Königshaus stammte und in seiner Jugend als Geselle die Welt bereiste. Alles, was er Gertrud hinterließ, waren eine russische Grammatik, eine slawonische Bilderzeitung, ein Barometer und ein Fachbuch über Bergbau.


Sie wurde von früher Kindheit an von ihrer Tante erzogen. Sie erzog sie sorgfältig und pflanzte ihr die Prinzipien des christlichen Denkens ins Herz. Sie hat ihr für alle Fälle auch Grundsätze aus der mohammedanischen Ideologie beigebracht.

Als sie siebzehn war, starb ihre gute Tante an Hydrophobie.

Die Umstände waren mysteriös. An diesem Tag besuchte sie ein fremder Mann, ein Mann mit großem Bart, in russischer Nationaltracht. Nachdem er gegangen war, fand Gertrud ihre Tante bewusstlos vor. Nur der Tod erlöste sie aus diesem Zustand.

Um ein Aufsehen zu vermeiden, wurde als Todesursache bilaterale Tollwut festgestellt. Sicher ist, dass Gertrud nun hier stand, allein, ins Ungewisse gestürzt. Was ist zu tun? Das war die Frage.

Darüber dachte sie nach auch eines Morgens, als ihr Blick auf die folgende Kleinanzeige fiel:

»Es wird eine Gouvernante gesucht. Sie muss Französisch, Italienisch, Russisch, Slawonisch können. Ein Klavierlehrer-Diplom und Fachkenntnisse in Metallurgie sind unerlässlich. Gehalt 4 Schilling und 4 Pence pro Jahr. Bewerben Sie sich zwischen 11:30 und 12:30 Uhr im Archiv des Nationalmuseums.«

Gertrud traf schnell Entscheidungen. Sie brauchte kaum zwei Stunden, um die erstaunliche Übereinstimmung zu bemerken, die zwischen den erforderlichen Bedingungen und ihrer tatsächlichen Ausbildung bestand.

Die Gräfin erwartete sie bereits im Büro des Archivs. Sie empfing sie mit jener Direktheit, die sofort die Sympathie eines unerfahrenen jungen Herzens gewinnt.

- Perfektes Französisch? - fragte sie.

- Oh, oui, - antwortete Gertrud bescheiden.

- Und Italienisch?

- Oh si! - so Gertrud.

- Und Deutsch? - fuhr die Gräfin fort.

- Ah ja!

- Und Russisch?

- Jaw!

- Und Slawonisch?

- Jep!


Erstaunt über die Kenntnisse, die dieses scheinbar junges Mädchen in modernen Sprachen zeigte, musterte die Gräfin Gertrud mit einem forschenden Blick. Wo hat sie diese charakteristischen Züge schon gesehen? Sie fuhr mit ihren schmalen Fingern nachdenklich über ihre blasse Stirn, aber vergebens, sie kam nicht darauf.

"Das reicht", nickte sie dann, "Sie sind aufgenommen." Morgen werden Sie zum Anwesen von Psv Ns reisen und Ihr Amt antreten. Ich muss anmerken, dass Sie, was Russisch betrifft, auch den Earl dabei unterstützen müssen, seine diesbezügliche Korrespondenz abzuwickeln. Er hat eine bedeutende Bergbaubeteiligung in Tcsmnksz.

Tcsmnksz! Warum ist Gertrud dieses einfache, alltägliche Wort so besonders ins Ohr gesprungen? Wieso? Vielleicht, weil dieses Wort in der Handschrift seines Vaters auf einer Seite des metallurgischen Lehrbuchs stand. Doch welches Geheimnis könnte dahinter stecken?


Am nächsten Morgen trat Gertrud über die Schwelle des Schlosses. Sie achtete darauf, nicht darauf zu treten, obwohl es eine ziemlich breite Schwelle war.

Sie stieg vom Hundegespann, marschierte zwischen den Reihen liberianischer Diener hindurch, von denen sie jedem einen Louis d'Or in die Hand drückte, und trat ein.

„Willkommen“, grüßte die Gräfin und half Gertrud, die Koffer auf den Dachboden zu tragen.

Von dort zurückgekehrt, wurde das junge Mädchen sofort in die Bibliothek geführt, um sie dem Grafen vorzustellen. Als er das Gesicht der Gouvernante betrachtete, war der Earl sichtlich erschüttert. Wo hat er diese Gesichtszüge gesehen? ... Beim Pferderennen? - Im Theater? - Auf dem Dach vom Omnibus? - In der Markthalle? - Nein! Er durchsuchte seine Erinnerungen, vergeblich. Er ging schnell zur Kredenz, leerte eine Flasche Brandy und wieder überströmte ihn die unergründliche Sanftheit des perfekten Gentlemans.

Während Gertrud in den Nebenraum gegangen ist, um ihre goldblonden Zöglinge zu treffen, nutzen wir diese Gelegenheit (vielleicht haben wir genug Zeit, bis sie zurückkommt), um ein paar Worte über den Earl und seinen Sohn zu sagen.

Lord Nork war ein englischer Adliger und ein geborener Staatsmann. Die Jahre, die er auf diplomatischen Missionen in Konstantinopel, St. Petersburg und Wulkaprodersdorf verbrachte, prägten seine Art zu einem fügsamen, während sein Äußeres von der Erinnerung an die Tage bedeckt war, die er in St. Ilona, ​​​​Neuseeland, Hamilton und Grönland verbracht hatte.

Als Militärquartiermeister der Grafschaft lernte er die grimmigen Schönheiten des Militärlebens kennen – und seine Position als Hauptlohndiener für Lebenszeit brachte ihn in direkten Kontakt mit Hofkreisen.

Er liebte harte Sportarten. Er hatte einen Ruf als furchteinflößender Fuchsjäger, Hundeschütze, Tauben-Schrotschütze, Schweineschlachter, Fledermaus-Nieter – er zeichnete sich in allen Annehmlichkeiten seines Ranges aus.

In dieser Hinsicht trat der junge Ronald in die Fußstapfen seines Vaters. Von Anfang an war er die größte Hoffnung der Familie. Am Eton College war er als Stuck- und Ohrkugelexperte bekannt – in Cambridge belegte er den ersten Platz beim Strumpfstopfwettbewerb. Auch in Ping-Pong-Kreisen wurde sein Name häufig als Spitzenkandidat genannt – der im Erfolgsfall sofort ins Parlament einziehen wird.


Unter diesen Umständen erreichte Gertrud das alte Haus.

Die Tage vergingen schnell.

Der schlichte Charme des hübschen kleinen Waisenmädchens gewann schnell die Herzen. Ihre Schüler hingen mit Anbetung an ihr und mussten abends mit einem Messer von ihr heruntergelöst werden. Sogar das Personal war von ihr begeistert. Der Obergärtner beschenkte sie mit einem Strauß Rosen, der zweite Gärtner brachte junge Weißdornblüten auf ihr Zimmer, der dritte Gärtner trug den ganzen Tag Artischocken hinter ihr her, und selbst der neunte und zehnte Gärtner brachten ihr zumindest eine Kartoffelwurzel oder eine Handvoll Hafer. Ihr Zimmer war voller Blumen, - gegen Abend klopfte der graue Kellermeister an ihre Tür, bewegt von dem einsamen Leben der lieben kleinen Waise, bot mal eine Flasche Trester, mal einen Wacholderschnaps, mal ein paar Päckchen Pfeifentabak an, und überreichte ihr diese aus Gutmütigkeit seines einfachen Herzens. Sogar die stummen Geschöpfe liebten sie mit ihrer stummen Anbetung. Die stummen Krähen und stummen Hunde saßen auf ihren Schultern, auch einige stumme Kälber aus der Nachbarschaft.


Und Ronald?... Ronald?


Nun ja. Sie trafen sich.

Sie sprachen miteinander.

- Was für ein nebliger Morgen! sagte Gertrud. - What a dull morning! Quel triste matin! Was für ein gottverdammter Morgen, himmelherrgottsakrament!...

- Und wie schiarch! antwortete Ronald leise.

Schiarch!... Dieses Wort klang den ganzen Tag in Gertruds Ohren.

Danach waren sie öfter zusammen. Tagsüber spielten sie Tennis und Tischtennis und abends spielten sie nach altem Schlossbrauch mit dem Grafen und der Gräfin ein wenig Roulette oder Chemin-de-Fer. Dann setzten sich die beiden auf die Veranda und sahen zu, wie der Mond in riesigen Kreisen am Rand des Horizonts seine Kreise zog.


Lang danach passierte es, dass Gertrud zum ersten Mal bemerkte, dass Lord Ronald ein wärmeres Gefühl für sie hatte, als es die Regeln des Ping-Pong zuließen. Wenn sie zusammen waren, schwieg der junge Lord oft minutenlang und schloss die Augen. Besonders nach dem Mittagessen.


Eines Abends, als Gertrud sich in ihr Zimmer zurückzog, um Vorbereitungen zu treffen um sich in ihrem Bett niederzulassen, anders gesagt, um ins Bett zu gehen, sperrte (öffnete) sie das Fenster auf und plötzlich erblickte (sah) sie Lord Ronalds Gesicht. Er saß auf einem Igel und sein dem Mond zugewandtes Gesicht spiegelte unsagbares Leid wider.


Inzwischen vergingen die Tage. Das Leben ging weiter, wie es in einem so normalen englischen Adelshaushalt üblich ist. Um sieben Uhr ertönte der Morgengong, um acht Uhr rief ein Berghorn die Familie zum Frühstück zusammen, um halb neun mahnten Autohupen zur Messe, um ein Uhr wehte am Hauptmast die Fahne zum Mittagessen, um vier Uhr signalisierte ein Kanonenschuss die Tee-Zeit, um viertel vor zehn kündigte eine Alarmglocke und Sirene die Zeit zum Umziehen für den Abend an, schließlich wurde um halb elf ein blutiges Schwert herumgetragen, als Zeichen, dass das Abendessen eingenommen werden konnte. Um Mitternacht haben sie alles hinter sich gehabt und das Personal wurde von der Seelenglocke zum Gebet gerufen.


Inzwischen näherte sich die Zeit, in der Lord Ronald wählen musste – ob er sein Elternhaus verlassen oder die Auserwählte seines Vaters heiraten würde. Es war bereits der 15. Juli, wenige Tage später der 17. Juli und fast unmittelbar danach der 18. Juli.

Von Zeit zu Zeit sah der Earl, der Ronald im Treppenhaus begegnete, ihn grimmig an. »Denk daran Sohn, dein Wille muss brechen, oder ich werde dich enterben!«


Aber was empfand der Earl für Gertrud? Das war der einzige bittere Tropfen im Ozean des Glücks des jungen Mädchens. Bestimmte Anzeichen, die sie nicht erklären konnte, deuteten darauf hin, dass der Earl eine gewisse Abneigung für sie hatte.

Als sie zum Beispiel einmal an der Bibliothek vorbeiging, hat der Earl einen Stiefelabzieher gegen sie geschmissen. Ein anderes Mal nahm er beim Frühstück plötzlich die Marmeladenschüssel und goss sie über ihren Kopf. Das hat sie sich aber jedenfalls gemerkt.


Zu ihren Aufgaben gehörte übrigens die Verwaltung der russischen Korrespondenz des Earls. Vergeblich suchte sie in diesen Briefen nach der Lösung ihres Geheimnisses. Eines Tages jedoch wurde dem Grafen ein typisch russisches Telegramm ausgehändigt. Gertrud übersetzte es laut.


- Tucsemoff hat die Frau besucht. Die Person ist tot.


Als der Earl das hörte, wurde er blass vor Wut. Sieht so aus, als wäre die Sache mit der Marmelade zu dieser Zeit passiert.


Eines Tages, als der Graf auf Fledermausjagd war, stöberte Gertrud in den Briefen ihres Herrn mit jenem sanften weiblichen Instinkt, der die falsche Scham der Diskretion leicht überwindet. Und dann fand sie den Schlüssel zum Geheimnis.

Der Graf war nicht der rechtmäßige Besitzer dieses Anwesens! Sein entfernter Cousin väterlicherseits war der rechtmäßige Erbe, er starb jedoch in einem russischen Gefängnis an den Folgen der Machenschaften des Grafen, der zu dieser Zeit Botschafter in Tcmensk war. Demnach konnte die Tochter dieses Cousins derzeit Anspruch auf das Anwesen erheben.

Die Geschichte der gesamten, komplizierten familiären Intrigen lag hier vor ihren Augen, mit allen Details – außer Name und Adresse des jetzigen rechtmäßigen Besitzers. Alles war genau drin, außer diesem. Das allein war schon auffallend.


Aber wie wunderbar ist die weibliche Seele. Gertrud hat doch nicht auf den Earl herabgesehen!...


Aber das Mysterium beschäftigte sie weiterhin. Warum zuckt der Earl jedes Mal zusammen, wenn sie ihm in die Augen sieht? Einmal maß sie die Zuckungen und der Zeiger des Seismographen schlug vier Zentimeter aus. In solchen Fällen sammelte er sich jedoch schnell, schüttete schnell ein paar Flaschen Whisky runter und war wieder –der perfekter Mann von Welt.


Die Erklärung kam schnell.


Die kritische Zeit war der Tag des nationalen Abschlussballs von PSN Ns. Die ganze Nachbarschaft war offiziell. Wie wild schlug Gertruds Herz vor Erwartung, wie verzweifelt suchte sie die Teile ihrer ärmlichen Garderobe aus, um nicht gezwungen zu sein, mit einem unwürdigen Äußeren vor Lord Ronalds Augen zu erscheinen. Es war eine erbärmliche Garderobe, aber der von ihrer französischen Mutter geerbte Stil- und Kleidungsinstinkt ließ sie nicht im Stich. Sie steckte sich eine schlichte Rose ins Haar – aus ein paar alten Ausgaben der Times und dem Futter eines alten Regenschirms improvisierte sie ein Kleid, an dem sogar der König von England das Salz lecken würde. Sie wickelte sich eine schlichte, geschmackvolle Wäscheleine um die Taille –und in ihr Ohr hängte sie mit weißem Faden ein antikes Spitzenband mit edlem Beschlag, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte.


Gertrud war das Highlight des Abends. Alle waren verzückt von dem strahlenden Charme mädchenhafter Unschuld, der ihr ganzes Wesen so überflutete, dass sie kaum noch zu sehen war.

Der Ball erreichte seinen Höhepunkt. Die einzelnen Paare tobten in einem irren Wirbelwind. Gertrud und Lord Ronald standen im Garten, mitten in einem Gebüsch. Sie sahen sich in die Augen.

"Gertrud", bemerkte der junge Lord, "ich liebe dich."

-Ronald! stellte Gertrud fest, als sie ihm um den Hals fiel.

In diesem Augenblick stapfte der Earl aus der Mulde der benachbarten Eiche heraus. Er stand mit verschränkten Armen im Mondlicht vor ihnen, und sein düsterer Blick war von Empörung so verzerrt, dass seine Ohren auf die Stelle seines Mundes rutschten.

- So! - schrie er scharf und wandte sich an Ronald. - Wie ich sehe, hast du bereits gewählt!


- Gew...! - war die Antwort des jungen Grafen.

- Du würdest lieber dieses bettelarme Geschöpf nehmen als die steinreiche Erbin, die ich für dich ausgewählt habe.

Gertrud sah mal den Vater, mal den Sohn flehend an. Auf beide gleichzeitig konnte sie nicht schauen, da sie einander gegenüberstanden.

- Lieb...! antwortete Ronald.

- So sei es! - antwortete der Earl mit einem scharfen Grinsen und nahm einen großen Schluck aus der Rumflasche, die er über seine Schulter gehängt hatte, um seine Fassung wiederzuerlangen.

- Somit bist du verstoßen! Verlasse diesen Ort, ich will dich nie mehr wiedersehen!

- Komm Gertrud! - sagte Ronald zärtlich - lass uns gehen Schoss im Schoss.


Gertrud stand einfach da. Die Rose fiel aus ihrem Haar. Die Spitze fiel ihr aus ihrem Ohr und die Wäscheleine löste sich von ihrer Taille. Die alten Ausgaben der Times (holzloses Papier!) zerknitterten bis zur Unkenntlichkeit. Aber selbst in diesem schrecklichen Zustand war sie Herrin ihres Willens.

- Niemals! sagte sie entschlossen. - Ronald, ich kann dir nicht erlauben, für mich so ein Opfer zu bringen.

Dann wandte sie sich mit eisiger Ruhe dem Earl zu.


- Es gibt auf der Welt noch so einen Stolz wie Ihrer, Herr Earl! Metcsnikoff Mac Figgins Tochter wird von niemandem Almosen annehmen.


Der Earl schüttelte sich, als wäre er mit einem Holzscheit auf den Kopf geschlagen worden.

- Das ist der Name! er schrie. - Dieses Gesicht! - Halt! Halt!


Machen wir ein freundliches Gesicht!


Was gibt es sonst noch zu sagen? Der Leser hat es trotzdem erraten.

Gertrud war die Erbin.

Die Liebenden fielen sich abwechselnd in die Arme. Das hochmütige Gesicht des Earls schmolz dahin. „Mein Segen auf euch!“, rief er.

Die Gräfin näherte sich jubelnd vom Schloss her an der Spitze der Gäste, die sich hinter ihr drängten. Im Licht der aufgehenden Sonne gratulierten alle einander verzückt.


Gertrud und Ronald heirateten bald. Müssen wir noch mehr über sie reden? Vielleicht nur so viel: Ein paar Tage später wurde dem Earl bei der Meisenjagd in den Bauch geschossen. Die Gräfin wurde vom Blitz getroffen und die beiden Zöglinge fielen in den Brunnen. Das Glück von Gertrud und Ronald war perfekt.

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